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Hier arbeiten 460 PS und ein Esel

Beruf LKW Fahrer 2

Oldenburg | Onlineredaktion CS - Text & Bilder Bodo Pell

Dieser Artikel soll einen Einblick in den harten Job eines Lkw Fahrers, Berufskraftfahrers, oder auch Truckers in der heutigen Zeit in Deutschland zeigen, und die Frage stellen: „Lohnt es sich heute noch LKW Fahrer im Fernverkehr zu sein und ist der Beruf noch attraktiv"?

Der Beruf des LKW-Fahers ist ein harter Job. Aber hat er noch die Fernfahrerromantik? Foto: Bodo Pell

Gibt es heute noch Fernfahrerromantik auf deutschen Straßen?

Fernfahrerromantik gab es vor Siebzig Jahren. Damals waren die Autobahnen noch staufrei. Man fuhr über Landstraßen, oder über den Brenner nach Italien. Je weiter sich die LKW Technik entwickelte, neue Autobahnen gebaut wurden, die Bevölkerung zunahm, neue Industrieanlagen gebaut wurden, der Warenkonsum stieg, wuchs auch das LKW-Frachtaufkommen. Neue Speditionen kamen auf den Markt und für jeden LKW fand sich ein Fahrer, oder Fahrerin, welche/r die Sehnsucht in die Ferne und die Freiheit am Steuer genoss. Damals meldete sich der Fahrer am Zielort per Telefon und war nicht, wie heute, für den Disponenten am Handy jederzeit erreichbar, oder wurde per Satellit im LKW überwacht. Heute stellt sich die Frage, „ Lohnt es sich noch LKW Fahrer zu werden? Macht das Fahren noch Spaß."? Das Speditionsgewerbe jammert, denn es fehlen in Deutschland 30.000 bis 60.000 Kraftfahrer. Ein Drittel ist älter als 55 Jahre und jedes Jahr gehen etwa 30.000 Fahrer in Rente.

 

Bis zur Aussetzung der Wehrpflicht, machten noch viele Soldaten ihren Führerschein bei der Bundeswehr, wobei sich der eine oder andere entschied LKW Fahrer zu werden. Heute kostet ein LKW Führerschein etwa 2000 Euro. Viele können sich das nicht leisten.

 

Wer heute in Deutschland beruflich LKW fahren will, muss keine dreijährige Lehre bei einer Spedition machen. Es reicht eine "beschleunigte Grundqualifikation" mit abschließender Prüfung vor der IHK. Dann ist dieser Fahrer nach wie vor Hilfsarbeiter mit Führerschein, wenn er keine andere Berufsausbildung hat. Erst nach bestandener Berufskraftfahrerqualifikation darf sich der Fahrer Berufskraftfahrer nennen. In der heutigen Zeit macht so eine Ausbildung Sinn.

 

Alle fünf Jahre kommen neue Kosten von etwa 600 Euro hinzu. Nicht jeder Arbeitgeber übernimmt diese Kosten. Dazu gehören die Verlängerung des Führerscheins und eine Ärztliche Untersuchung, sowie die Auffrischung der fünf Module, welche unter anderem Fahrsicherheit, Sozialvorschriften und Ladungssicherung beinhalten. Diese können an einem Wochenende absolviert werden.

Ist LKW fahren heute noch attraktiv?

Wenn zum Beispiel ein Skandinavischer LKW Fahrer von Dänemark nach Italien über die BAB 7, 3, 99, 8 und BAB 93 zur Österreichischen Grenze fahren will, beträgt die Strecke etwa 980 Kilometer. Wenn er sich an die gesetzlichen Vorschriften hält, schafft er es nicht, ohne in Deutschland zu übernachten, durchzufahren.

Beruf LKW Fahrer 2
Parkende LKW in der Zufahrt zur Rastanlage weil Parkplätze belegt sind . Und dass schon um 16.30 Uhr. Foto: Bodo Pell

 


Vor der Wende, also vor der Grenzöffnung zu den Oststaaten, schaffte er die Strecke bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 70 km/h in etwa 14 Stunden Fahrzeit. Mit mindestens 90 Minuten Lenkzeitunterbrechung und mindestens acht Stunden Ruhezeit, durchquerte er Deutschland in etwa 24 Stunden inklusive der Suche nach einem Parkplatz für die Lenkzeitunterbrechung und der Suche nach einer Raststätte, oder einem Autohof für die Ruhezeit. Deutschland hat 13.000 Kilometer Autobahn, auf denen täglich 26.000 LKWs fahren. Würden alle gleichzeitig auf allen Autobahnen fahren, würde alle 500 Meter ein LKW fahren. Dieser Zustand ist zurzeit auf der BAB 1 zwischen Hamburg und dem Westhofener Kreuz alltäglich. 2012 erfolgte die 8. Auflage der „Sozialvorschriften im Straßenverkehr". Nach dieser Verordnung muss ein Fahrer jetzt eine Ruhezeit von 11 Stunden einhalten.

 

Und fährt dieser Fahrer in der heutigen Zeit die selbe Strecke, erreicht er wegen des sehr hohen LKW-Verkehrsaufkommens, eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 60 km/h und braucht zum Durchqueren der Bundesrepublik etwa 16,5 Stunden. Mit Lenkzeitunterbrechung und Ruhezeit kommt er somit auf etwa 29 Stunden, vorausgesetzt er findet sofort einen Parkplatz für die Lenkzeitunterbrechung, oder eine Raststätte oder einen Autohof für die Ruhezeit.

Beruf LKW Fahrer 2

LKW die auf den Fahrspuren die LKW, Bus und PKW Parkplätze zuparken. Foto: Bodo Pell

 

Hier können die ersten Unannehmlichkeiten für das Fahrpersonal entstehen. Bei einer Kontrolle durch die Kontrollbehörden, Polizei und BAG (Bundesamt für Güterfernverkehr), dürfen die Fahrer auch aus dem fließenden Verkehr herausgezogen und kontrolliert werden. Durch den Digitalen Tacho werden die Fahrer überwacht. Hier werden Geschwindigkeit, die Lenkzeit, die Lenkzeitunterbrechung, sowie die Ruhezeiten minutiös aufgezeichnet. Dabei wird der Tacho ausgelesen und Verstöße können vor Ort geahndet werden. Nicht selten wird dabei auch der Zustand des Fahrzeuges und der Ladung überprüft. So eine Kontrolle, ohne besondere Verdachtsmomente, darf bis zu 44 Minuten dauern. Dieser Zeitverlust fehlt dann dem Fahrer, um rechtzeitig seine Abladestelle zu erreichen. Sollte der Fahrer dann nicht mehr, aufgrund Warenannahmeschluss, abgeladen werden, muss er bis zum anderen Morgen stehenbleiben. Das kann ihm auch bei einem Stau, oder hohem Verkehrsaufkommen passieren.

 

Unangenehm wird es für die Fahrer auch, wenn ihre Schichtzeit endet und sie ihre 11 Stunden Pause tagsüber im lauten Stadtverkehr und im Sommer auch bei Hitze einhalten müssen. Fahrer, die bei Speditionen arbeiten, die ihre Touren im Wechselbrücken-und Gegenverkehr fahren, haben oft genaue Zeitvorgaben.

 

Oft wird dem Fahrer die Fahrzeit vorgeschrieben, wie lange er von A nach B brauchen darf, um innerhalb seiner Schichtzeit das Ziel zu erreichen, oder nach Austausch der Wechselbrücken am Zwischenziel wieder am Heimatort zu sein hat. Die Zeiten sind so knapp vorgegeben, dass manche Disponenten sogar einplanen, dass der Fahrer seine Lenkzeitunterbrechung von 45 Minuten auch auf dem Standstreifen der Autobahn einhalten soll. Hier kann dem Fahrer ein Bußgeld von 70 Euro drohen.

 

Die Park- und Rastanlagen sind heute meist schon um 17 Uhr so überfüllt, dass die LKWs in den Einfädelungsstreifen, oder Beschleunigungsstreifen der Parkplätze und Rastanlagen stehen. Genaugenommen stehen sie auf einer Fahrspur der Autobahn. Ohne die LKW Fahrer aus den Ostblockstaaten zu diskriminieren, machen einige Polizeibeamte Unterschiede zwischen diesen Fahrern und deutschen Fahrern, wenn es um eine Bestrafung geht. Der Original-Ton eines Polizeibeamten der Autobahnpolizei auf der BAB 2 zu einem deutschen Fahrer lautete, "Die sprechen und verstehen unsere Sprache nicht und der Verwaltungsaufwand ist zu groß". Deshalb werden Deutsch Fahrer zur Kasse gebeten.

 

Keine andere Berufssparte wird so überwacht wie der Beruf des LKW Fahrers. Kann der Beruf trotzdem noch Spaß machen?
Werden ältere Fahrer gefragt, sagt fast jeder Fahrer: „Der Beruf macht keinen Spaß mehr". Neben dem hohen Verkehrsaufkommen und den vielen Staus und Baustellen, schaffen die Fahrer tagsüber, innerhalb viereinhalb Fahrstunden, selten eine Stecke von 300 Kilometer. Das Fahren ist auch physisch anstrengender geworden. Neben dem Zeitdruck kommt auch noch die Belastung hinzu, rechtzeitig eine Parkmöglichkeit für die Fahrzeitunterbrechung zu finden. In jedem neuen LKW muss seit 2006 ein digitaler Tachograph eingebaut sein. Dieser kann jede Überziehung von Lenkzeiten minutiös auslesen. Die Kontrollbehörden bestrafen dann die Fahrer, was zusätzlich Stress bedeutet. Manche Fahrer gehen deshalb vor Gericht, weil sie die Geldstrafe nicht bezahlen können, oder wollen und erklären warum und wie der Verstoß zustande kam, um die Strafe zu mildern. Durch die verschärften „Sozialvorschriften im Straßenverkehr" und die Überwachung durch die Digitaltachometer, werden die Fahrer gezwungen, ihre Pausen einzuhalten, selbst wenn sie sich eine halbe Stunde vor ihrem Heimatort und vor ihrer Wochenendruhezeit befinden.

 

Die elf Stunden Pause könnte der Fahrer, oder Fahrerin schon mit der Familie verbringen, oder einem Freizeitvergnügen nachgehen. Fährt der Fahrer aber durch und überzieht seine Schichtzeit, drohen ihm 30 Euro Strafe für die erste Stunde und weiter 30 Euro für jede weitere angefangene Stunde. In anderen Jobs bekommt der Arbeitnehmer Mehrarbeit bezahlt. In keinem anderen Job wird der Arbeitnehmer so überwacht wie im Fuhrgeschäft. Hierbei stellt sich wieder die Frage: Lohnt sich der Beruf Fernfahrer zu sein heute noch?

 

Nehmen wir jetzt den Verdienst:
Bei einem durchschnittlichen Bruttoverdienst von etwa 2200 Euro für Fahrer ab 30 Jahre mit Berufserfahrung, bleibt bei einem ledigen Fahrer Netto etwa 1500 Euro. Ist er verheiratet und hat zwei Kinder, liegt der Nettoverdienst bei etwa 1750 Euro.

Ein Büroangestellter hätte bei einem durchschnittlichen Bruttoverdienst von 2.200 Euro bei einer 40 Stunden-Woche von montags bis freitags einen Stundenlohn von 13,75 Euro. Der LKW Fahrer darf bis zu 60 Stunden in der Woche von sonntags 22 Uhr bis samstags 00 Uhr arbeiten und kommt so häufig gerade auf den gesetzlichen Mindestlohn von 9,19 Euro. Mit Wartezeiten und weiteren oft zu erledigenden, aber nicht aufgeführte Zeiten liegt ein Fahrer so schnell auch unter dem gesetzlich vorgeschriebenen Mindestlohn.

Jetzt denkt der eine oder andere Leser vielleicht, „Der Fahrer verdient doch gut und er muss doch damit auskommen". Wenn der Fahrer jeden Tag zu Hause ist wohl ja, aber er ist die ganze Woche unterwegs und das Leben auf der Straße ist teuer. Ein Frühstück kostet gerne 7,50 Euro. Ein Mittag- oder Abendessen etwa 15 Euro. Parken auf Autohöfen kostet 5 Euro. Diese Kosten werden meistens nicht vom Arbeitgeber erstattet.

 

Von den 1750 Euro muss die Miete und Versicherungen, etc. bezahlt werden. Die Familie zuhause muss ernährt werden. Die Kinder brauchen Schulsachen und Kleidung und weiteres. Ohne die Spesen, die bis zu 168 Euro in der Woche (28 Euro am Tag) liegen können, würde die Familie am Rande des Sozialhilfesatzes leben, denn diese Spesen verbraucht der Fahrer in der Woche, wenn er vernünftig und ausgewogen essen möchte. Ist der Fahrer auch noch Raucher, reicht das Geld oft nicht.

 

Der Fahrer, in unserem Fall, kommt vermutlich mit dem Geld über die Runden, wenn der Arbeitgeber die Spesen wöchentlich auszahlt. Die Spesen braucht der Fahrer am Anfang der Woche für die Woche. Die meisten Arbeitgeber zahlen die Spesen am Ende der Woche aus. Einige erst am Monatsende. Hier muss der Fahrer in Vorkasse treten, was bedeutet, er muss das Geld aus der Familienkasse nehmen. Dieses Geld fehlt dann der Familie. Viele Spediteure zahlen die Löhne erst am 10. des Folgemonats, obwohl die Miete bis zum 3. Werktag eines Monats auf dem Konto des Vermieters sein muss. Oder, die Arbeitgeber zahlen zum Ersten des Monats einen Abschlag und den Rest am 15. eines Monats, oder später. Viele Fahrer mit Familie sind schlechter dran, als ein nicht arbeitender Harz IV Empfänger.

 

Besonders schlimm trifft es oft die Fahrer aus dem Ostblock. Diese bekommen meistens nur 1.200 Euro Brutto. Sie sind wochenlang, bis monatelang, von zu Hause weg. Können sich die Parkgebühren auf den Autohöfen, oder eine Dusche von vier Euro nicht leisten. Sie verbringen ihre Wochenendruhezeiten von 45 Stunden auf Hinterhöfen von Speditionen, auf Zollhöfen und Autobahnraststätten, obwohl das deutsche Fahrerpersonalgesetz (FPersG) im Mai 2017 ergänzt wurde, und den Fahrern verbietet, ihre regelmäßige wöchentliche Ruhezeit im Lkw zu verbringen. Und schon wieder werden die Fahrer mit einem Bußgeld bestraft. In diesem Fall wird auch der Unternehmer bestraft, denn der soll dafür sorgen, dass seine Fahrer, wie laut Gesetz vorgeschrieben, in einem Bett außerhalb des Arbeitsplatzes schlafen und regelmäßig in ihrem Heimatland ihre Freizeit verbringen können.

 

Schon vor 50 Jahren wurden LKW-Fahrer als Hilfsarbeiter mit Führerschein bezeichnet. Das Image hat sich bis heute nicht geändert, obwohl man diesen Beruf nicht mehr ohne Ausbildung und besonderer Kenntnisse ausüben darf. LKWs werden auch heute noch, aus Unkenntnis, als Stinker und Umweltverpester beschrieben, obwohl moderne LKWs durch ihren „AdBlue Dieselzusatz" sauberer sind, als manch ein PKW. Sie machen die Fahrbahnen kaputt, verursachen Staus und die Fahrer verursachen Auffahrunfälle, so die allgemeine Meinung. Sehr oft sind auch PKW Fahrer an einem Unfall Schuld, wenn sie die LKWs schneiden und den Fahrer, bzw. seine LKW-Technik, zu einer Vollbremsung zwingen.

 

Das Klischeebild des Hilfsarbeiters wird auch durch manch einen Jogging-und Schlabberhosentragenden Fahrer hochgehalten. Dies bestätigte eine Umfrage unter dem Fahrpersonal. Es ist aber nicht die Realität. Einige Fahrer fahren auch mit Krawatte und weißem Hemd.

 

Was den Job für viele unattraktiv macht, sind die Rahmenbedingungen der Arbeit. Es besteht Handlungsbedarf auf Seiten der Industrie, dem Handel und der Verladewirtschaft, sowie bei den Spediteuren. Die Lenk- und Ruhezeiten müssen flexibler gestaltet werden, um den Fahren die Fahrt zur Wochenendruhezeit, ohne Strafe zu ermöglichen, denn die Vorschriften erzeugen keine stressfreien Arbeitstage.

 

Der Beruf des Fernfahrers ist ein harter Beruf, welcher aber auch schön sein kann. Wenn die Autobahn, oder auch die Landstraße morgens um fünf Uhr noch frei ist, die Sonne aufgeht, Bodennebel über den Feldern schwebt, oder unter der Windschutzscheibe stehen bleibt und man das Gefühl hat über den Wolken zu fahren. Ja, dann kann Romantik aufkommen. Ob diese wenigen romantischen Augenblicke es Wert sind, sich dauerhaft für diesen Beruf zu entscheiden?

 

Bericht + Bilder: Bodo Pell, Wildeshausen (LK Oldenburg - Niedersachsen | Deutschland)



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